Die Rede unserer Fraktionsvorsitzenden Christina Herr zum Thema "Günstiger Wohnraum" zur Stadtverordnetenversammlung am 16.6.2016

17.06.16 –

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

das Thema „günstiger“ oder eben bezahlbarer Wohnraum beschäftigt uns nun schon eine ganze Weile. Ausgangspunkt waren ja die Anträge der Linken vom 28.09.2014: Konzept für günstigen Wohnraum

Nach über einem Jahr der Beratungen fassten wir einen einstimmigen Entschluss, nämlich, dass der Magistrat über Handlungsoptionen aufklären und Stellung beziehen soll, ebenso über Erfahrungen zu berichten.

Im Beschluss vom 19. November 2015 hieß die Überschrift: Konzept für günstigen Wohnraum/Schaffung von sozialem Wohnraum

Geschehen ist offensichtlich nur wenig – so interpretiere ich die Antwort des Magistrats. Wer weiß, ob der Magistrat in der nächsten Sitzung des Bau- und Umweltausschusses uns eines Besseren belehrt.

Ich bitte den Magistrat ganz ausdrücklich, dass er den damaligen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung umsetzt mit einem schriftlichen Bericht in der nächsten Sitzung des Bau- und Umweltausschusses, wenn es als notwendig gesehen wird eben auch ein Referat zu halten. Wichtig ist uns, dass eine nachlesbare schriftliche Antwort vorliegt, die die empfohlenen Handlungsoptionen klar darlegt und ausführlich über die geführten Gespräche Bericht erstattet. Denn die Folgen aus den Gesprächen mit den Investoren und den am Wohnmarkt tätigen Unternehmen sind für unsere Beurteilung wichtig.

Wir brauchen Entscheidungsgrundlagen und eben keine schönen Bildchen. Wir brauchen eine glasklare und eindeutige Stellungnahme des Magistrats.

Statt einer Handlungsanleitung des Magistrats diskutieren wir heute ein neues Konzept – noch ist der erste Antrag nicht zwei Jahre her, aber fast…

Wir GRÜNEN werden Initiativen befürworten, die endlich konkrete Maßnahmen zur Schaffung von günstigem Wohnraum in Angriff nehmen.

Wir GRÜNEN stehen auch einer Verdichtung im Innenbereich offen gegenüber, ökologische und soziale Belange der Menschen, die jetzt hier leben, müssen berücksichtigt werden.

Wir GRÜNEN stehen auch für eine kommunale Förderung und Unterstützung durch Maßnahmen, wie beispielsweise der Stellplatzsatzung.

Also müssten wir GRÜNEN doch zufrieden und glücklich über die Initiative der Koalition sein, oder?

Schauen wir uns doch mal an, was hier im Konzept vorgeschlagen wird:

„Grundsatzbeschluss zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums in Oberursel“ – so lautet die Überschrift.

Ein von mir sehr geschätzter Fraktionskollege wandte sofort ein: Jeder Wohnraum ist bezahlbar – fragt sich nur von wem.

Insofern ist der erste Absatz in dem formuliert wird, dass die Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum eine zentrale Herausforderung für die Stadtentwicklung darstellt, fragwürdig. Aus unserer GRÜNEN Sicht ist die zentrale Herausforderung für die Stadtentwicklung die Schaffung von Wohnraum für Haushalte mit KLEINEM und GERINGEM Einkommen.

Nur eine Formulierungsschwäche?

Die Leitfrage, die wir uns gestellt haben war: Für wen soll in diesem Grundsatzbeschluss eigentlich Wohnraum geschaffen werden?

In Punkt 2 ist das Ziel klar: 1000 Wohnungen insgesamt, 300 für Haushalte mit mittlerem Einkommen und Haushalte mit kleinem Einkommen sowie Sozialwohnungen.

Da wurden wir doch stutzig: Das heißt: 700 Wohnungen für die wirklich gut Verdienenden (es sein Ihnen gegönnt), 300 Wohnungen, die sich dann Haushalte mit mittlerem, kleinen und geringem Einkommen teilen?

Nach diesem Beschluss wären 700 Wohnungen für richtig Gut Verdienende, 250 Wohnungen für die mittleren Einkommen, 49 für die mit geringem Einkommen und 1 Sozialwohnung das Ziel erreicht!

Es könnten unter den 300 Wohnungen auch 280 für Haushalte mit mittlerem Einkommen sein, 19 für Haushalte mit kleinem und 1 Sozialwohnung.

Herr Uhlig, Herr Dr. Winter: Sie sind beide lange im kommunalpolitischem Geschäft und verstehen sich auf das Formulieren der Anträge: Ist das gewollt?

Für uns sieht es in dieser Formulierung aus, wie ein großes Bauprogramm, das unter dem Deckmantel des „Bezahlbarem Wohnraums“ daherkommt.

Wenn wir hier kurz den Blick Richtung Bauprojekt „Erich-Ollenhauer-Straße“ schweifen lassen und die intensiven Diskussionen um eine festgelegte Quote an Wohnungen mit günstigen Mieten und uns dann vor Augen halten, dass dort keine einzige Wohnung entstehen wird, die diesem Kriterium entspricht, dann ist es doch Zeit, die Ernsthaftigkeit von den hier umschriebenen Quoten zu hinterfragen. Ob am Ende bei diesem Projekt tatsächlich Belegungsrechte für 6 Wohnungen herauskommen, dass weiß ich nicht, und dies bei 104 Wohneinheiten!

Wir GRÜNEN beschließen gerne heute hier mit ihnen ein erneutes Konzept, in der Hoffnung, dass dieser Beschluss dann trägt. Und auch nur, wenn dieser Beschluss ein Beschluss zum günstigen Wohnraum ist.

Für uns GRÜNE bedeutet dies, dass das Gesamtziel der 1000 Wohnung aus dem Beschluss gestrichen wird und zugleich die angepeilten 300 Wohnungen wirklich Wohnungen für Haushalte mit kleinem Einkommen sind.

So lautet unser Änderungsantrag:
Ein weiterer Teil des Änderungsantrages ist, dass die innerstädtische Entwicklung auch ökologische Belange berücksichtigt. In Hochwasser und Überschwemmungsgebieten zu bauen, macht keinen Sinn. Gerade die derzeitige Witterungslage zeigt, wie wichtig Überschwemmungsgebiete sind, wie wichtig ein renaturierter Urselbach ist.

Zudem prägen gerade die Grün- und Erholungsflächen innerhalb von Oberursel das soziale Leben. Es ist Erholungsraum für die Menschen, deren Wohnungen eben keinen Garten und große Balkonflächen haben.

Diesen innerstädtischen Naturraum gilt es in die Abwägung einzubeziehen. Dass dazu überhaupt kein Wort in diesem Beschlussvorschlag steht, ist auch ein deutliches Zeichen, dass der Natur- und Umweltschutz nur noch einen untergeordneten Wert in der Stadtpolitik hat.

Wir haben immer den Geschosswohnungsbau, auch den von der CDU als Kaninchenställe kritisierten Geschosswohnungsbau, befürwortet. Aber er hat auch nicht überall seinen richtigen Platz. Insofern muss hier aus unserer Sicht im Grundsatzbeschluss die „Ökologie“ wenigstens mal erwähnt werden.

Wenn also klar formuliert wird, dass es in diesem Beschluss um 300 Wohnungen für Haushalte mit kleinem Einkommen geht, wenn beim Bau auch ökologische Belange berücksichtigt werden, dann wird dieses Konzept auch mit GRÜNER Stimme verabschiedet werden.

Wenn es nur darum geht, wachsweiche und sich nicht festlegende Formulierungen zu beschließen, wenn die Politik hier ein großes Wohnbauprogramm anstößt und noch nicht einmal andeutungsweise festlegt, wo und wie es umgesetzt werden soll, wenn noch nicht einmal eine klare Anzahl von Wohnungen für Haushalte mit kleinem Einkommen festgelegt wird, dann werden wir GRÜNEN diesen Blanko-Scheck nicht unterzeichnen.

Sollten unsere Änderungsanträge angenommen werden, tragen wir dieses Konzept mit.

Wir GRÜNEN haben heute aber nicht nur nach den schon beschlossenen Initiativen gefragt, die offensichtlich im Sande verlaufen, sondern bereits vor Wochen eine Anfrage eingereicht, in dem wir um Auskunft bitten, nach welchen Kriterien der Magistrat Flächen zur Innenverdichtung einteilt und für geeignet hält. Bei einer hoffentlich ausführlichen Antwort, die nach den großzügigen Fristen in der Geschäftsordnung im August vorliegen sollte, wissen wir, welche Flächen in Frage kommen und bebaut werden können. Aus unserer Sicht ist dies ein entscheidender Schritt, endlich konkret voran zu kommen.

Wer sich aber nun – während wir auf den Bericht des Magistrats warteten – mit den Förderrichtlinien des Landes auseinandergesetzt hat, hat bemerkt, dass das neue Wohnungsbauförderungsprogramm der Landesregierung von CDU und GRÜNEN bereits mit Richtlinien hinterlegt wurde, der versteht vielleicht nicht jeden Kniff und jede Richtlinie. Gerade deshalb wäre es gut gewesen, der Magistrat hätte im Rahmen der aktuell gefassten Beschlüsse, uns Ehrenamtlichen in der Beurteilung geholfen, während die Fristen für die ersten Tranchen bereits abgelaufen sind.

Wer sich also nur ansatzweise damit beschäftigt, der weiß, ohne Geld funktioniert vermutlich nichts. Wir befinden uns aber aktuell in einer mehr als angespannten Haushaltslage, Geld liegt also nicht auf der Straße rum.

Der GRÜNE Vorschlag, Grundstücke, die uns unerwartet im Umlegeverfahren des Baugebietes Borndgrund zugefallen sind, meistbietend – selbstverständlich bezahlbar – wir wollen das Geld schließlich sehen – zu veräußern und den Gewinn mit einer Zweckbindung zu versehen, nämlich der Förderung des sozialen Wohnungsbaus, der Gewinn ist in den Haushalt einzustellen.

Nach ersten, völlig grob geschätzten Berechnungen, könnten wir dort 3 Millionen Euro erwarten.

Übrigens: Die meisten Richtlinien der Wohnungsbauförderung gehen davon aus, dass eine Wohnung mit jeweils 10.000 Euro gefördert wird: 300 mal 10.000 Euro ergibt genau diese 3 Millionen! Dann ist das doch ein gutes Startkapital endlich sozialen Wohnungsbau umzusetzen. Das ist gut angelegtes Geld.

Rechte Tasche - Linke Tasche, so wie Herr Böhm-Ott es abschätzig formulierte: So wie wir es beim Schwimmbad organisiert haben - war das aktionistisch???

Eine GRÜNE Bemerkung: Wir, die wir dieses Baugebiet von Anfang an abgelehnt haben, könnten dann sagen: Es ist zumindest für etwas gut gewesen….

Ob dies dann durch den Kauf von Belegungsrechten geschieht, ob anteilig bei Bauvorhaben Zuschüsse gezahlt werden oder ob die Stadt selbst als Bauherr und damit auch als vom Land förderungswürdig angesehen wird, da hoffen wir darauf, dass der Magistrat das passende Mittel und gute Wege vorschlägt. Den Kauf von Belegungsrechten haben die GRÜNEN schon im April 2007 vorgeschlagen - passiert ist eher nichts. Vielleicht wird es ja jetzt etwas....

Ich werbe hier für unseren GRÜNEN Antrag, endlich konkrete Schritte zur Umsetzung einzuleiten oder gegebenenfalls Gegenvorschläge zu machen, die den sozialen Wohnungsbau voranbringt. Ich werbe auch um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

Christina Herr
Fraktionsvorsitzende B90/Die Grünen Oberursel

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